pixel

Farbiger Beton für Wand und Boden

„Noch einen Klaren in der Steingutflasche braucht der Markt nicht. Dagegen ist die Nachfrage nach besonders hochwertigen Spirituosen über die letzten Jahre beständig gewachsen“, sagt Rüdiger Sasse, Inhaber der Feinbrennerei Sasse mit Sitz im westfälischen
Schöppingen, rund 35 km nordwestlich von Münster gelegen.

„Lagerkorn“ nennt Sasse seine Antwort auf die steigende Nachfrage nach exklusiven Spirituosen. Ihre Destillate stellen der Schöppinger und sein Team ausschließlich aus zertifizierten Bio-Getreiden her, aus Wasser aus der eigenen Quelle und unter Zugabe von Malz und unterschiedlichen Hefen.

Nach der Destillation lagern die Kornbrände vier Jahre lang in Barrique. Das Holz der Eichenfässer gibt während des Reifungsprozesses seine dunkle Farbe an die ursprünglich klaren Spirituosen ab. Die Buketts weisen teils exotische Noten auf – einige duften und schmecken wie spanischer Sherry andere nach Mango-Früchten.

Villa Rustica im Münsterland

Doch Rüdiger Sasses Vision endet nicht mit der Neuerfindung seines Produkts. Zum Erlebnis „Lagerkorn“ gehört genauso das Anwesen der Feinbrennerei, das laut dem Inhaber jährlich bis zu 15 000 Gäste besuchen, um an Verkostungen, Führungen und Workshops teilzunehmen oder um im Hofladen einzukaufen.

Das Brunnenhaus, in dem sich die eigene Quelle befindet sind ebenfalls mit dem sandsteinfarbenen Beton erbaut. Das Lager ist nach drei Seiten offen, die vierte Seite durch die Brandmauer abgeschlossen. Foto: concrete content/C.Jahn.

Auf dem Gelände entstanden zwischen 2015 und 2021 für eine Investitionssumme in Höhe von rund 5 Mio. Euro fünf neue Gebäude – das sogenannte Reifugium mit rd. 1 000 in mehreren parallel verlaufenden Reihen aufgestapelten Eichenholzfässern (Fertigstellung 2015, Grundfläche 750 m2), das Tanklager mit sechs Stahltanks für insgesamt rund 150000 l reinen Alkohols für die Produktion (2017, 160 m2), das Brunnenhaus mit der eigenen Quelle und zwei, im Garten davor als Springbrunnen angelegten, je 4 m tiefen Löschwasser-Becken (2019, 100 m2), die Remise für die Durchführung der Verkostungen und Workshops (2020, 200 m2) und zuletzt eine Logistikhalle (2021, 1000 m2).

Die ästhetische Vision für die Gestaltung der neuen Gebäude entwickelte Sasse gemeinsam mit Tobias Nöfer, einem Freund aus Schultagen, der heute das Büro Nöfer Architekten in Berlin betreibt. „Die neuen Gebäude vereinen die regionale münsterländische Bautradition mit moderner Architektur. Ihre einheitliche Formensprache und Farbgebung sorgen zudem dafür, dass der Betrachter alle Gebäude als ein geschlossenes Ensemble wahrnimmt“, sagt Nöfer.

Typisch für die Region war in der Vergangenheit, dass die Gebäudesockel aus dem ockergelben Sandstein der nahegelegenen Baumberge gebaut wurden, die darauf aufsetzenden Wand- und Dachaufbauten aus dunklem Holz. Diese Tradition greifen die neuen Gebäude in ihrer Farbgebung auf. Wegen der technischen Vorteile und der daraus resultierenden größeren Langlebigkeit ersetzte Nöfer allerdings einige traditionelle Materialien und Bautechniken durch moderne: Sockel und Stützen aller Gebäude bestehen aus Beton, der ockergelb eingefärbt wurde – lediglich der 3 m hohe, ebenfalls aus ockergelb eingefärbtem Beton gegossene Sockel des exponiert in der Mitte des Anwesens gelegenen Reifugiums ist auf der Außenseite zusätzlich mit großformatigen Blöcken aus dem weichen, witterungsanfälligen Sandstein verkleidet.

Die Betonfundamente von Reifugium, Tanklager und Brunnenhaus mussten zudem als Weiße Wannen ausgebildet werden, da das Anwesen der Feinbrennerei Sasse im Hang liegt und das Schichtenwasser von außen auf die Gebäude drückt.

Die Fassaden oberhalb der Sockelzonen aller neuen Gebäude bestehen ganz nach der regionalen Bautradition aus dunklem Holz. Allerdings wurden auch hier zeitgemäße Bauteile verwendet – bei der weitspannenden Dachkonstruktion des Reifugiums beispielsweise kommen moderne Leimbinder zum Einsatz.

Die Neigung der Dächer weicht von der regionalen Bautradition ab und beträgt bewusst nur 12 Grad. Derartige flach geneigte Dächer sind laut Nöfer typisch für Italien. Im Zusammenspiel mit der mediterranen ockergelben Farbe des Betons von Wänden und Stützen wecken sie beim Betrachter Assoziationen mit der Villa Rustica, dem traditionellen römischen Landhaus.

Grammgenaue Farbdosierung

Die Mischung für den ockergelben Beton entwickelte Transportbeton A. Potthoff an seinem Hauptstandort im nahegelegenen Rosendahl-Osterwick. Für den Beton der Druckfestigkeitsklasse C 25/30 verwendete der Hersteller Sand und Kies mit einem Größtkorn zwischen 0 und 32 mm sowie Hochofenzement CEM III/A der Festigkeitsklasse 42,5 N. Potthoff wählte eine Betonrezeptur ohne Flugasche, um Abweichungen in der Farbgebung der fertigen Bauteile zu minimieren.

Auf dem Werksgelände in Rosendahl-Osterwick wurden Probekörper in Form so genannter Beton-Legosteine hergestellt. Foto: Potthoff

Die Farbe für den gewünschten ockergelben Farbton lieferte die Ha-Be Betonchemie GmbH. Die Flüssigfarbe Ha-Be Color Gelb 571 kreierten die Hamelner Spezialisten
exklusiv für das Projekt nach dem Vorbild eines Muster-Sandsteins und abgestimmt auf die Eigenfarbe des Zements.

„Um das optimale Farbergebnis zu erreichen, mussten wir hier im Betonwerk zunächst ein bisschen experimentieren“, erinnert sich Potthoff-Mischmeister Thomas Eichmann. Die Farbe wurde im Verhältnis zum Zementgehalt der Mischung dosiert. Durch die schrittweise Veränderung des prozentualen Anteils näherten sich die Betontechnologen nach und nach dem gewünschten Ergebnis an. Überprüft wurde die Farbqualität, indem Eichmann und seine Kollegen auf dem Werksgelände in Rosendahl-Osterwick Probekörper in Form sogenannter Beton-Legosteine herstellten.

Das optimale Farbergebnis erreichten die Betontechnologen beim dritten Legostein und einem grammgenau bemessenen Anteil der flüssigen Farbe in Höhe von 5 % des Zementgehalts.

Der W/Z-Wert der Mischung lag schließlich bei 0,58. Zur Optimierung des Fließverhalten und der Verdichtung des Frischbetons kam Betonverflüssiger der Marke Pantarhit zum Einsatz, ebenfalls vom Hamelner Spezialisten Ha-Be.

„Insgesamt haben wir für die fünf neuen Gebäude rund 400 m3 Frischbeton auf die Baustelle geliefert“, sagt Eichmann. Dabei war wichtig, dass in allen Bauphasen die einzelnen Chargen verlässlich ohne Verzögerungen in einer vorgegebenen Zeit angeliefert wurden. „Die Fahrmischer legten die rund 12 km von unserem Werk bis nach Schöppingen durchschnittlich in 15 Min. zurück“, sagt Eichmann.

Natürliche wirkende Oberflächen

Für die Betonierarbeiten auf der Baustelle war die BD Bau GmbH mit Sitz in Vreden zuständig, rd. 33 km von Schöppingen entfernt.

„Das ästhetische Konzept und die Planung sahen vor, dass die Wände in eine Rauspundschalung gegossen werden“, sagt Reinhold Buning, Bautechniker und Geschäftsführer von BD Bau. Aus Schalbrettern mit Breiten von 80 mm bis 160 mm und mit Längen von 600 mm bis 2.700 mm wurde eine wandhohe Schalung gefertigt. Die ungehobelten Oberflächen der Bretter und die Fugen an den Verbindungsstellen hinterließen eine unregelmäßige, natürlich wirkende Struktur und ein horizontal, parallel zum Gebäudeboden verlaufendes Linien-Muster auf der ockergelben Betonwand. Das Linienmuster erinnert an die streifenartige Schichtung von Sandstein, wie sie beim Abbau in der Wand im Steinbruch sichtbar wird.

„Um zu testen, ob das Muster am Ende auch tatsächlich wie gewünscht sichtbar ist, und ob die zusammengesetzte Schalung dem Betondruck standhält, haben wir auf unserem Werksgelände in Vreden eine 5 m hohe Probewand gegossen“, sagt Buning. „Schalung und Probewand erfüllten sofort alle 
Erwartungen.“

Roter Betonboden

Den Betonboden im Reifugium, der zugleich die WU-Platte der Weißen Wanne der Lagerhalle ist, versahen die Mitarbeiter der BD Bau GmbH mit einem Industrie­bodensystem des Amberger Herstellers Korodur. Dazu rieben sie den gerade begehbaren Tragbeton mit der Tellerglättmaschine ab und brachten den zementgebundenen Trockenbaustoff Neodur HE 3 in der Farbe Rot II/1350 gleichmäßig mit dem Einstreuwagen auf die Fläche auf. Abschließend wurde der Boden mit der Tellerglättmaschine abgescheibt und geglättet.

Der Hallenboden im Reifugium, wo regelmäßig mit Flüssigkeit hantiert wird, ist nun verschleiß-, rutsch- und wasserfest. Seine rote Einfärbung entspricht dem ästhetischen Konzept des Architekturbüros und sorgt im Zusammenspiel mit den ockergelben Betonwänden für eine angenehm warme Atmosphäre in der Halle.

Vorbildliche Zusammenarbeit

Rüdiger Sasse ist mit Bauablauf und Ergebnis sehr zufrieden. „Für ein derartiges Projekt brauchen Sie Zulieferer, auf die Sie sich verlassen können. Das war hier der Fall. Die Zusammenarbeit hat hervorragend funktioniert“, so der Brennerei-Inhaber. Auch die übrigen Projektbeteiligten ziehen ein durchweg positives Fazit.In einem nächsten Ausbauschritt wollen die Partner auch die alten Bestandsgebäude in Form- und Farbgebung an das Ensemble anpassen. Den Anfang macht bald der Turm, in dem die Stills stehen, die kupfernen, mehrere Meter hohen Brennanlagen für die Destillation des prämierten Schöppinger Lagerkorns.