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Ingenieurbaupreis 2024 für Herzogsteg

Preisträger des Ernst & Sohn Ingenieurbaupreises 2024 ist der neue Herzogsteg über die Altmühl in Eichstätt. Der Herzogsteg führt die Herzoggasse aus der Altstadt über die Altmühl hinweg zu dem sich konisch öffnenden Franz-Xaver-Platz der Neustadt. Die beiden unterschiedlichen Ufersituationen spiegeln sich in der asymmetrisch taillierten Brückengestalt wider. Weitere formgebende Parameter waren die Anforderungen an den Hochwasserabfluss, die Flusshydraulik und die Gründungssituation. 

Bergmeister Ingenieure GmbH und J2M Mayr Metz Architekten Part GmbB  entwarfen ein gestalterisch überzeugendes, schlankes und formoptimiertes Brückentragwerk aus Stahlbeton, das in die beiden Widerlager eingespannt ist. In monolithischer Ortbetonbauweise wurde so ein fugen- und lagerloses, integrales Brückenbauwerk geschaffen. Die von ihren Abmessungen eher kleine Fuß- und Radwegbrücke fasziniert mit hohem Innovationsgrad und ihrem prototypischen Ansatz für den Umgang mit Ingenieurbauwerken in Hochwassersituationen: Durch den stromlinienförmigen Querschnitt und die Demontierbarkeit der Geländer wird eine effiziente Hochwasserprofilierung erreicht und die Behinderung des Durchflusses infolge der Ansammlung von Festteilen im Hochwasserfall minimiert. 

Ziel war es, einen Monolithen zu schaffen, robust, und wartungsarm, ohne Abdichtung und Belag, einfach nur in Konstruktionsbeton mit der Betonfestigkeitsklasse C35/45. Foto: Bruno Klomfar

Die Jury lobt das Bauwerk als herausragendes Beispiel für die Übereinstimmung aus Entwurf und Konstruktion, das von einer entsprechenden konstruktiven Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten zeugt. Das barrierefreie Bauwerk überzeugt nicht nur als Solitär, sondern ist wie selbstverständlich in den städtischen Kontext integriert. Mit dem Herzogsteg wurde folglich höchste Ingenieursbaukunst mit Vorbildfunktion geschaffen.

Aufgabenstellung 

Der Herzogsteg befindet sich in der Großen Kreisstadt Eichstätt an einer stadträumlich wichtigen Stelle. Es handelte sich um eine innerstädtische Baumaßnahme für eine Fuß- und Rad-wegbrücke über die Altmühl als Verbindung zweier Stadtteile. Die Brücke verbindet die durch die Altmühl getrennte Altstadt mit der Spitalvorstadt und dem ÖPNV-Knotenpunkt am Bahnhof. Nach Auftreten starker Verformungen wurde das bestehende Brückenbauwerk im Dezember 2016 gesperrt. Bereits mit Jänner 2017 wurde aufgrund der großen Verkehrsbedeutung der Fußwegverbindung eine Behelfsbrücke errichtet. Nach der Schadensanalyse entschied der Stadtrat im Juli 2017 die bestehende Brücke abzubrechen und durch eine neue barrierefreie Brücke zu ersetzen. Mit der Entscheidung für einen Realisierungswettbewerb drückte der Stadtrat seinen hohen Gestaltungsanspruch an das neue Bauwerk aus. Planungsaufgabe war es Altstadt und Spitalstadt zu verbinden, die Brücke in das bestehende Wegenetz einzubinden und den Anforderungen an Hochwasserabfluss, Flusshydraulik und Baugrund gerecht zu werden. Die verkehrstechnische und freiraumplanerische Mitgestaltung der Anschlussbereiche der Brücke und naheliegenden Plätze als öffentliche Räume waren Teil der Aufgabe.

Beschreibung der Haupttragkonstruktion

Die Trassierung und der Entwurf der Brücke erfolgte unter Berücksichtigung der Barrierefreiheit, der Flusshydraulik und der Hochwasserereignisse. Die Brücke wurde zusätzlich zur Verkehrslast von 5 KN/m2 mit einem Dienstfahrzeug von 10to Gesamtgewicht beaufschlagt. Das Brückentragwerk besteht aus einem in der Ansicht flach gebogenen, an den Widerlagern eingespannten, plattenförmigen Biegebalken aus Stahlbeton mit max. Längsneigung der Fahrbahn von 6 %. Die Rahmenwirkung wird durch geschickt angeordnete Kleinbohrpfähle (GEWI, Ischebeck Ø78 mm) unter den kräftig ausgebildeten Widerlagern aktiviert. Die Einspannmomente werden über Gegengewicht der Widerlager und Kräftepaare aus der Pfahlgründung abgetragen. Die Brücke weitet sich im Grundriss in Richtung Franz-Xaver-Platz trompetenförmig auf, sodass die Brückenbreite auf der historischen Stadtseite zur schmalen Herzoggasse 5,5 m breit ist und auf der Seite zum Platz sich auf 9,8 m aufweitet. Die max. Plattendicke am Anschnitt zum Widerlager beträgt 90 cm, jene am Scheitel 50 cm. Im Querschnitt dünnt die Brücke stromlinienförmig zu den Rändern hin auf 8 cm aus, ganz im Sinne eines hochwasserabflussgerechten Profils. Die über ca. 30 m freitragende integrale Brücke ist lager- und fugenlos konzipiert. Die Widerlager werden in die Uferböschung integriert und entfallen als Abflusshindernis vollständig. Auf Druck und Zug zugelassene, verpresste, leicht geneigte Kleinbohrpfähle leiten die Kräfte in den tragfähigen Kies.

Erläuterung der Gestaltung 

Der neue Herzogsteg spiegelt in seiner asymmetrisch taillierten Gestalt die beiden Ufersituationen wider, die er verbindet: Von der Herzoggasse der Altstadt aus weitet sich die Brücke zu der offenen, neu gestalteten Ufersituation der Altmühl und zu dem sich konisch öffnenden Franz-Xaver-Platz der Neustadt. Vom Bahnhof oder der Spitalstadt kommend wird der Fußgänger von den sich öffnenden Geländern in Empfang genommen und sanft auf die folgenden, engen Gassen der historischen Altstadt eingestimmt. Der Gestaltung der Brücke kommt zwischen barockem Formenkanon und moderner Wohn- und Geschäftsarchitektur eine hohe Bedeutung zu.

Wahl der Baustoffe

„Steinerner Steg“: Die Wahrnehmung des Bogenwegs über die Altmühl wird durch die geschwungene Kontur der Brückenränder und des Geländers verstärkt. Der steinerne Belag des Platzes und der Herzoggasse setzt sich auch auf dem Steg fort. Der ganze Steg ist ein monolithischer, gegossener Stein in der Betonfestigkeitsklasse C35/45. Das verzinkte und lackierte Geländer aus Stahl mit Eichenholzhandlauf kann mit wenigen Handgriffen zerlegt und demontiert werden. Es setzt sich aus einer Endlosschleife eines gebogenen Rundstahlstabs und 2 Verbindungsprofilen zusammen und verzichtet dabei gänzlich auf konventionelle Pfosten. Jeder 4. und 5. Geländerstab wird auf einer an den Brückenbeton gedübelten schalenförmigen Stahlgrundplatte über ein abschraubbares, schalenförmiges Gegenstück eingeklemmt. Das Geländer ist so gefügt, dass es sich bei anbahnenden Hochwasserereignissen innerhalb 20 Stunden in 68 cm langen und 68 kg schweren Elementen leicht und schadensfrei demontieren lässt. Beim hundertjährigen Hochwasser liegt die Brücke vollständig innerhalb des benetzten Abflussquerschnittes und somit unterhalb des Hochwasserstandes HQ100=388,51 m ü. NN bei einer Abflussmenge von 215 m³/s. Ab einem Hochwasserereignis HQ20 ist die Demontage des Geländers erforderlich, um keine Behinderung des Abflusses zu erzeugen. Ziel war es einen Monolithen zu schaffen, robust, und wartungsarm, ohne Abdichtung und Belag, einfach nur in Konstruktionsbeton mit der Betonfestigkeitsklasse C35/45. Die Oberfläche des Betons als dauerhaft rutschfester Belag wird gestockt. Die Dauerhaftigkeit des Tragwerks wird durch Einsatz von nichtrostender Bewehrung der Güte B500B NR / B670B NR „Top12“ (Werkstoff Nr. 1.4003) sichergestellt. Die Brücke erhält nach dem Stocken eine zweifache, zeitlich versetzt aufgebrachte Tiefenhydrophobierung. 

Besondere Ingenieurleistung

Ziel war es einen gestalterisch hochwertigen, für die Verkehrssicherheit der Verkehrsflächen griffigen, hochwasserabflussgerechten und damit stromlinienförmigen integralen Monolithen in Konstruktionsbeton ohne weitere Abdichtung und Belag zu schaffen. Übereinstimmung zwischen Entwurf und Konstruktion, skulpturales Brückentragwerk. Gestalterisch überzeugendes, schlankes, fugen- und lagerloses, integrales Brückentragwerk aus Stahlbeton (wirtschaftlich, effizient, elegant). 

Es wurde eine Dauerhaftigkeitsbemessung nach DIN-Fachbericht 100:2010, Anhang J erstellt, aus der die Lebensdauer von min. 100 Jahren hervorgeht. Für die Dauerhaftigkeitsberechnung wurde der Chloridmigrationskoeffizient des eingebauten Betons im Labor bestimmt.